Positionspapier des bbk berlin 2011

Was braucht die Bildende Kunst in Berlin? Der Offene Brief:  „Haben und Brauchen“  hat eine kulturpolitische Debatte ausgelöst. Vor diesem Hintergrund positioniert sich der bbk berlin mit folgenden Vorschlägen Die Kunsthalle als innovationsloses Prestige-Projekt, als Immobilienspekulation am Humboldthafen ist tot. Lebendig ist die Diskussion darüber, wie die Infrastruktur der Bildenden Kunst in Berlin nachhaltiger verbessert werden kann. Auch das Ausstellungsprojekt ‚based in berlin’ als Einmal-Sommerspiel ist keine Antwort auf die Probleme der Bildenden Kunst in Berlin. Im Offenen Brief der Künstlerinnen und Künstler, Kuratoren, Vertreter von Institutionen und weiteren Akteuren der zeitgenössischen Bildenden Kunst wird der Dialog darüber eingefordert, wie die Bildende Kunst zukunftsfähig gemacht werden kann. Berlin muss Künstlerinnen und Künstlern endlich ausreichende Präsentations-, Entwicklungs- und Überlebensperspektiven bieten. Die Künstlerinnen und Künstler und ihre Institutionen sind es, die den weltweiten Ruf Berlins als „place to be“ begründen. Sie ziehen Menschen und Unternehmen nach Berlin. Soll das so bleiben, muss die Berliner Politik viel dafür tun. Sonst werden sie nicht heute, aber morgen wieder gehen. Geist ist noch flüchtiger als Kapital. Deshalb schlagen wir vor: Der Leitgedanke des Kunsthallenprojekts wird aufgenommen und weitergeführt. Berlin investiert in eine substantielle und dauerhafte Verbesserung der regionalen, nationalen und internationalen Präsentationschancen für in Berlin entstehende Kunst. Es nutzt dafür die in Berlin bereits vorhandene Kompetenz und die Synergien unter den Berliner Künstlerinnen und Künstlern, Kuratorinnen und Kuratoren, Kunstvereinen und kommunalen Galerien. Die Förderung der drei Kunstvereine in Berlin wird spürbar verbessert. Sie erhalten zusätzlich einen Fonds zur Realisierung gemeinsamer Ausstellungsprojekte. Es werden neue Fonds eingerichtet: - zur Förderung von Ausstellungsprojekten von Künstlergruppen, gemeinnütziger Ausstellungsinstitutionen und freier Kuratoren/innen sowie zur  Förderung von Projekträumen und sog. Off-Spaces - zur Förderung von Ausstellungsprojekten der kommunalen Galerien - zur Förderung von Produzentengalerien Zugleich verpflichtet sich das Land Berlin, in seinen eigenen Einrichtungen Ausstellungshonorare an die Künstlerinnen und Künstler zu zahlen, deren Werke für Ausstellungen genutzt werden. Es ermöglicht seinen Zuwendungs- und Förderempfängern in ihren Ausstellungsprojekten ebenfalls Ausstellungshonorare zu zahlen. Ergänzend sollte Berlin - sein überlastetes Atelierprogramm aufstocken, damit es dem gestiegenen Bedarf entsprechen kann, - die Zahl seiner Künstlerstipendien vergrößern und - seine Katalog- und Websiteförderung ausbauen. Damit Berlin nicht erst in zwanzig Jahren zu dann horrenden Preisen wichtige Werke der Kunstproduktion aus Berlin ankaufen muss, um sie überhaupt noch darstellen zu können, sollte die Berlinische Galerie jetzt einen eigenen Ankaufsetat für zeitgenössische Kunst aus Berlin erhalten. Es sollte zudem endlich selbstverständlich sein, dass professionelle Künstlerinnen und Künstler unentgeltlich Zutritt zu den großen Kunstsammlungen und Sonderausstellungen in Berlin erhalten. Denn: Der internationalen Aufmerksamkeit für die Bildende Kunst in Berlin und ihrer hohen Wertschätzung entspricht umgekehrt proportional die Geringschätzung und Unterbewertung der zeitgenössischen Bildenden Kunst durch die Berliner Politik. Ein Etat von zur Zeit 4 Millionen Euro für die Bildende Kunst bei einem Gesamtetat von 420 Millionen Euro für die Kultur bedeuten 1 Prozent für eine ganze Kunstsparte. Einer Sparte, die der Stadt mehr Ansehen und Anziehungskraft verschafft als alle Bühnen zusammen, in die das fünfzigfache investiert wird. Die internationale Werbung und die mittelbaren Mehreinnahmen, die die Bildende Kunst für Berlin auch noch erbringt, sind um ein vielfaches höher, als das, was die Stadt in die Bildende Kunst investiert! Notwendig ist ein Wandel in der Wahrnehmung der Bedeutung der Bildenden Kunst für Berlin durch die Politik. Sie muss für den Erhalt Berlins als first place der Kunst sorgen. Geeignete Räume und für Künstlerinnen und Künstler nutzbare Immobilien verschwinden, Ateliermieten steigen.  Künstlerinnen und Künstler, auch Galerien oder Projekträume müssen ihre Quartiere immer häufiger räumen. „Soziale Stadtentwicklung“ ist abgewickelt, das trifft auch die Künstlerinnen und Künstler. Kommunale Galerien werden stillgelegt, Kulturpolitik der Bezirke findet immer weniger statt. Die dauernde Fluktuation, der schnelle Wechsel und die schnelle Anpassung an neue Situationen werden von vielen vielleicht irrtümlich als pulsierende Kraft empfunden, diese „Lebendigkeit“ kann aber genauso gut als Übergang zu letzten Zuckungen und hektischen Überlebensaktivitäten gelesen werden. Der Hype um die Bildende Kunst in Berlin ist nicht unendlich. Das Leben als Künstlerin, als Künstler in Berlin hört auf „sexy“ zu sein.  Vor diesem Hintergrund, dem Kontext für zeitgenössische Bildende Kunst in Berlin hilft keine „Signature“-Kunsthalle und es hilft kein „weiter so“!