Die Kulturprojekte Gmbh – vom kulturstaat zur staatskultur?

Haben und Brauchen veröffentlicht aus aktuellem Anlass an dieser Stelle den folgenden Text aus dem Mitgliederrundbrief des bbk im Frühjahr 2008: Die Kulturprojekte GmbH ist anders. Hervorgegangen aus dem Haus der jungen Talente der Freien deutschen Jugend, betreibt sie heute im Podewil’schen Palais ein Puppentheater für Erwachsene, organisiert und betreut museumspädagogische Projekte, organisiert und betreut Projekte der kulturellen Jugendbildung, bietet Bühnentechnik an, beherbergt Initiativen zeitgenössischen Tanzes und macht überhaupt alles Mögliche. Organisiert ist sie als Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Gesellschafteranteile ausschließlich vom Land Berlin gehalten werden. Ihre Geschäftsführung unterliegt also der Kontrolle und der Steuerung durch das Land Berlin, hier konkret durch die Mitarbeiter der Berliner Kulturverwaltung selbst. Finanziert wird sie über einen eigenen Titel im Einzelplan Kultur des Landeshaushaltes. Der Titel bezieht sich dabei auf die Kulturprojekte GmbH und ihre Aktivitäten als Ganzes. Es werden also nicht die einzelnen Aktivitätsfelder der Kulturprojekte GmbH aus jeweils eigenständigen Haushaltstiteln finanziert. Dieser Umstand ist mehr als nur ein haushaltstechnisches Detail, dazu später. Was macht die Kulturprojekte GmbH nun also anders? Ungewöhnlich ist es nicht, wenn der Staat selbst Kultureinrichtungen betreibt. Es gibt Staatstheater, Staatsopern, Museen. Anders aber als diese oder vergleichbare Institutionen kann diese landeseigene GmbH jedoch keine kulturelle Autonomie behaupten. Sie ist keine Stiftung, keine Körperschaft öffentlichen Rechtes, sondern eine Gesellschaft mit sehr disparaten Handlungsfeldern, deren Kontrolle und Steuerung unmittelbar weisungsgebundenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung selbst obliegt. Ebenfalls nicht an sich ungewöhnlich ist die Finanzierung einer Kulturinstitution über Zuwendungen aus dem Landeshaushalt. Ungewöhnlich ist es aber, wenn sich das Land Berlin über die Gründung einer landeseigenen GmbH diese Zuwendungen selbst gibt. Üblicherweise sind Zuwendungsempfänger Institutionen wie Vereine oder gemeinnützige GmbH’s, die aus bürgerlichem Engagement entstanden sind, Zwecke verfolgen, die das Land Berlin für förderungswürdig hält, aber von diesen Bürgern selbst kontrolliert, gesteuert und verantwortet werden. Als Zuwendungsgeber kontrolliert das Land Berlin, letztlich das Abgeordnetenhaus, eine dem Zuwendungsbescheid entsprechende und korrekte Mittelverwendung, nicht aber den Inhalt der Arbeit. Das ist bei einer landeseigenen GmbH anders. Daß eine Kulturinstitution vielfältige Aufgaben wahrnimmt, mag immerhin auch noch andernorts vorkommen. Unser Kulturwerk, klassisches Beispiel einer gemeinnützigen GmbH, die Zuwendungsempfängerin des Landes Berlin ist, betreibt mit seinen Werkstätten und Büros immerhin auch recht unterschiedliche künstlerische Institutionen. Sie stehen allerdings in einem sehr engen inhaltlichen Zusammenhang miteinander. Derart umfangreiche, von der Pädagogik bis in die klassische Künstlerförderung reichende Aufgabenfelder, wie sie von der Kulturprojekte GmbH wahrgenommen werden, hat niemand. Auch dieser Umstand --- die extreme Heterogenität der Geschäftszwecke der Kulturprojekte GmbH --- macht die an sich nicht ungewöhnliche Zuwendungsfinanzierung dieser GmbH eben doch außergewöhnlich: Hat das Parlament die Mittel im Titel für die Kulturprojekte GmbH einmal bewilligt, kann es ihre Verwendung nicht mehr kontrollieren. Welche der zahlreichen Aktivitäten der Kulturprojekte GmbH wie finanziert werden, unterliegt nicht mehr der parlamentarischen Kontrolle. Hier entscheidet nur noch die Verwaltung selbst. Das Parlament sieht sich hier mit der ungewöhnlichen Situation konfrontiert, Zuwendungen an eine Institution zu leisten, die eben anders ist:
  • Anders als andere landeseigene GmbH’s hat sie nicht den Zweck, eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, die das Land zwar noch steuern und kontrollieren will, aber aus sachlichen Gründen besser in der Rechtsform einer GmbH ausführen kann.
  • Anders als in nahezu allen anderen Fällen stellt das Parlament Mittel in einen Titel ein, deren Verwendungszweck nicht durch eine klare inhaltliche Zieldefinition bestimmt und kontrollierbar ist.
Diese Andersartigkeit macht aus der Kulturprojekte GmbH eine für das kulturelle Leben ganz neuartige Erscheinung: Mit öffentlichen Mitteln werden diverse, völlig unterschiedliche kulturelle Vorhaben und Kulturprojekte finanziert, die sich im Einzelnen jeder parlamentarischen und damit öffentlichen Kontrolle entziehen. Zugleich fördert der Staat hier nicht Kultur, sondern er macht sie selbst. Nach der Wiedervereinigung haben Senat und Abgeordnetenhaus mit dem ehemaligen Haus der jungen Talente wenig anzufangen gewusst. Angeboten hätte es sich womöglich am ehesten, die verfügbare Infrastruktur im Podewil’schen Palais zu seriösen und kontrollierbaren Bedingungen für die Nutzung durch die freie Kulturszene Berlins zur Verfügung zu stellen, das Podewil also wie eine Infrastruktur-Plattform zu betreiben und zu verwalten. Erzeugt hat man jedoch eine Institution, in der strukturell mit nur sehr geringer parlamentarischer Kontrolle und damit mit nur sehr geringer öffentlicher Wahrnehmbarkeit und Diskussion die Kulturverwaltung selbst Kultur macht. Ziel und Zweck bleiben dabei bewusst unbestimmt und geradezu beliebig. Mit vielen Aktivitäten ist die Kulturprojekte GmbH weit in künstlerische und kulturelle Aktionsfelder der freien Szene Berlins vorgedrungen. Je nach politischer Ambition kann dieser Prozess weitergehen: Vor 3 Jahren gab es in der Berliner Kulturverwaltung die feste Absicht, die Berliner Atelierförderung von den Künstlerinnen und Künstlern und ihren Institutionen zu trennen und zu einem Handlungsfeld der Kulturprojekte GmbH zu machen. Eine wenngleich nichtautorisierte Arbeitsgruppe des Rates für die Künste hat bereits vor 6 Jahren ratsintern vorgeschlagen, die gesamte freie Szene der Musik, der bildenden Kunst, des Theaters und des Tanzes in Abteilungen der Kulturprojekte GmbH umzuformen und zentral zu verwalten. Die Praxis zeigt, dass die Berliner Politik überall dort, wo ohne kritische fachöffentliche Diskussion schnell irgendetwas geschehen soll, das Instrument der Kulturprojekte GmbH gern in die Hand nimmt. Die Kulturverwaltung hat ihrerseits offenbar keinerlei grundsätzliche Bedenken, über die Kulturprojekte GmbH zunehmend selbst als kultureller und künstlerischer Akteur auf den Plan zu treten. Mit der Kulturprojekte GmbH löst sich zunehmend ein jahrzehntelanger Konsens über demokratische Kulturpolitik auf. Dieser Konsens bestand darin, dass der Staat Kunst fördert, dabei jedoch ihre Autonomie achtet. Er bestand darin, dass der Staat, wenn er Mittel zur Verfügung stellt, selbstverständlich das Recht und die Pflicht hat, die Mittelverwendung zu kontrollieren, jedoch aber nicht die künstlerischen Inhalte. Der Konsens bestand weiterhin darin, dass der Staat nicht nur in der Kunst und Kultur sondern überhaupt private und gesellschaftliche Initiativen fördern, aber nicht vereinnahmen und erst recht nicht ersetzen darf. Wollte man dem alten Konsens demokratischer Kulturpolitik folgen, müssten die jeweils eigenständigen Aufgabenfelder der Kulturprojekte GmbH eigenständigen und autonomen freien Trägern übergeben werden, die durch zielgenaue Zuwendungen aus dem Landeshaushalt zu fördern wären. Bernhard Kotowski, Geschäftsführer des bbk berlin, 2008
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Ein Gedanke zu „Die Kulturprojekte Gmbh – vom kulturstaat zur staatskultur?

  1. Die Kulturprojekte Berlin GmbH als aus öffentlicher Hand geförderte Institution, hegt auch eine zweifelhafte Personalpolitik. Die Bezahlung für eine Vollzeitstelle für Akademiker wurde einer Ausschreibung von Oktober 2012 mit 1600€ brutto angegeben – ein Gehalt dass nach allen Abzügen keine ausreichende Existenzgrundlage bilden kann.

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