AG Kunstbegriff: Über Kunstbegriffe zwischen Autonomie und Funktionalisierung Spätestens seit den 1990er-Jahren wurde die Kunst – nicht nur in Deutschland – zunehmend in viele unterschiedliche Bereiche des Gesellschaftlichen integriert. Diese Entwicklung führte zwangsläufig zu einem Wandel des (Selbst-)Verständnisses der Akteure im Feld der Kunst selbst: Ein bürgerlich-patriarchalisches Verständnis, das sich in „genialen Werken“ manifestiert, verschob sich hin zu einem gesellschaftlichen Agieren, oftmals in Gruppen-zusammenhängen, in unterschiedlichen Formaten und an neuen Orten wie Projekträumen oder Clubs. Die besondere Situation in Berlin nach dem Mauerfall begünstigte diese Entwicklung. Erschwingliche Mieten sowie Zwischennutzungen leer stehender Objekte eröffneten einen „Freiraum“, in dem ein künstlerisches Arbeiten ohne ökonomischen Druck, abseits des Kunstmarktes, für kurze Zeit möglich war. Zugleich zogen sich die staatlichen Institutionen von Aufgaben im Bereich der Kunst und Kultur zurück. Auch die weiterhin öffentlich subventionierten Institutionen waren rigorosen Sparmaßnahmen und einem zunehmenden Legitimationsdruck ausgesetzt. Das Verständnis von Kunst als selbstbestimmter Praxis begann sich hin zu einem In-Funktion-Setzen von Kunst zu verschieben. Die aktuell in Berlin geführten kulturpolitischen Debatten und der Wunsch, diese theoretisch und strategisch zu fassen, machen die Verunsicherung der Akteure sichtbar: Die bisherigen Dichotomien erodieren, die Machtverhältnisse werden komplexer. Das Verhältnis von Autonomie und Funktionalität im Feld der Künste bedarf einer diskursiven und theoretischen Neuausrichtung. Ein Workshop mit der Philosophin und Kunsttheoretikerin Ruth Sonderegger, der auf Einladung von Haben und Brauchen im Juli 2014 an der Universität der Künste in Berlin stattfand, ging der Frage nach, wie sich die Begriffe Autonomie einerseits und Funktionalisierung (bzw. Heteronomie, Fremdbestimmung etc.) andererseits in den letzten Jahren verschoben haben und inwieweit sie für die Arbeit von Haben und Brauchen heute relevant sein könnten. Wir dokumentieren das Gespräch hier in Auszügen.