HABEN UND BRAUCHEN Presseerklärung vom 13.11.2012 zur „K2 – Eine Dialogveranstaltung der Kulturverwaltung des Berliner Senats“ am 15./ 16.November 2012

Am 10. Mai 2011 legten Haben und Brauchen dem Kultursenat einen „Fahrplan zum Entwicklungsplan der Kunststadt Berlin“, kurz Kunstplan, vor. In diesem wiesen wir mit Nachdruck auf die Notwendigkeit hin, ein Forum einzurichten, das zur Aufgabe hätte, auf kontinuierlicher Basis einen überparteilichen Dialog zwischen dem Senat, der freien Szene und Vertretern der Kunstinstitutionen der Stadt zu führen. Wir sind überzeugt, dass nur im Rahmen einer solchen, institutionell verankerten, längerfristigen Zusammen-arbeit die reale Not der Kunst- und Kulturschaffenden in Berlin behoben werden kann. Der Großteil der Kunst- und Kulturschaffenden in Berlin lebt an oder unter der Armutsgrenze und wird aus den (durch sie) aufgewerteten Stadteilen verdrängt. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen, die die Stadt einst für eine freie Szene attraktiv gemacht haben, existieren so nicht mehr. Berlin ist trocken gewohnt. Die Stadt zerstört mit ihrer verkaufsorientierten Liegenschaftspolitik die Bedingungen ihrer kulturellen Vitalität. Der Freiraum von einst ist ausverkauft. Mit der Kunstmetropole Berlin ist es in absehbarer Zeit vorbei. KünstlerInnen verlassen Berlin. Wenn Berlin in Zukunft eine Stadt für eine freie Kunst- und Kulturszene bleiben will, muss jetzt eine Instanz geschaffen werden, die eine sachliche Ermittlung der Gründe für die reale Not der ProduzentInnen und nachhaltige strukturelle Maßnahmen zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der freien Szene in Berlin leisten kann. Am 15./16. November 2012 richtet die kommerzielle Agentur ZIA (Zentrale Intelligenz Agentur) im Auftrag des Berliner Senats in Zusammenarbeit mit den Kulturprojekten Berlin den sogenannten Open Space K2 aus, um die Frage zu erörtern, wie die Zukunft der Bildenden Kunst in Berlin aussehen könnte. Zu dieser Veranstaltung mit moderierter Diskussion lädt die Agentur neben Mitgliedern der Senatsverwaltung verschiedene Akteure aus diesem Kunstbereich ein. Haben und Brauchen begrüßen die Initiative des Senats, das Gespräch mit der freien Szene zu suchen. Wir sind jedoch geschockt von der Grundhaltung, die aus der Form der geplanten Veranstaltung spricht. Auf einer von Haben und Brauchen organisierten Versammlung der freien Berliner Szene im Künstlerhaus Bethanien am 27./28. Oktober formulierten wir deshalb folgende Kritik am K2:
  • Der K2 ist auf schnellen Austausch angelegt und kann so maximal ein vages Stimmungsbild der Lage ergeben. Aufgrund dieser Konzeption ist, trotz eines Budgets von 50.000 Euro nicht damit zu rechnen, dass der K2 Ergebnisse erbringen wird, die zu nachhaltigen konstruktiven Maßnahmen führen könnten.
  • Eine fundierte Ermittlung der Gründe für die Not der ProduzentInnen und eine Planung struktureller Maßnahmen kann in dieser Form NICHT objektiv geleistet werden.
  • Die vom K2 formulierten Leitfragen blenden die Probleme der Kunststadt Berlin und die Misere der ProduzentInnen aus. Sie erwecken den Eindruck, dass Kunst in Berlin eine Wachstumsbranche sei und es nur mehr um die Steuerung des Wachstums ginge. Dass auf der existentiellen Produktionsebene Kunst in Berlin kurz vorm Kollaps steht, ist nicht Thema. Grundlage der Diskussion ist eine Illusion von Wachstum, das es so nicht gibt.
  • Die unfreiwillige Ironie des K2 liegt darin, dass die eingeladenen Teilnehmer für ihre Beiträge kein Honorar erhalten und sich somit die Logik der Missstände unmittelbar in der Konzeption des K2 abbildet: Für Vertreter von Institutionen fällt die Teilnahme ohnehin in ihre bezahlte Arbeitszeit. Für alle frei Arbeitenden gestaltet sich die Situation wie üblich in der Kultur Berlins: Ein Beitrag wird erwartet, aber selbstverständlich nicht bezahlt.
  • Vertreter der Parteien wurden erst eingeladen, nachdem Haben und Brauchen die mangelnde Involvierung der Politik durch den K2 ausdrücklich kritisiert hatten.
  • Der K2 kann kein Ersatz für den längerfristigen überparteilichen Dialog über einen Kunstplan sein, der zur Behebung der Probleme in der Stadt dringendst notwendig wäre.
  • Der K2 steht im Gegenteil symptomatisch für eine verheerende Tendenz in der Berliner Kulturpolitik, Entscheidungskompetenz und enorme finanzielle Mittel im großen Stil an kommerzielle Agenturen wie die ZIA und eine hausnahe GmbH wie die Kulturprojekte outzusourcen. Dadurch steuert der Senat politisch auf eine Kommerzialisierung der Kultur zu, und entzieht sich effektiv der Verantwortung für die inhaltliche Gestaltung der Kulturpolitik, die Verbesserung der Produktionsbedingungen von Kultur und den nachhaltigen Dialog mit den ProduzentInnen außerhalb der hausnahen Kreise.
Haben und Brauchen sprechen sich aus:
  • Wir sind gegen eine wettbewerbsgeleitete, neoliberal orientierte Kunstproduktion.
  • Wir sind für einen Prozess des Kulturschaffens, der unabhängig von ökonomischen, marktproduzierenden und marktgesteuerten Ordnungsprinzipien verstanden wird.
  • Wir fordern die Stadt dazu auf, Kunst als Kern ihres Gemeinwesens anzuerkennen.
  • Wir brauchen mehr als nur Förderung. Wir fordern einen Anteil an finanziellen Mitteln, der dem Beitrag der Kunst zurAufwertung Berlins real entspricht.
  • Wir fordern die Wiedereinführung eines Beratungsgremiums für Kunst.
  • Wir fordern eine Liegenschaftspolitik, die Arbeits- und Ausstellungsräume für Kunst schafft.
  • Wir wollen, dass Ausstellungshonorare bezahlt werden, wenn Kunst ausgestellt wird.
  • Wir fordern einen langfristig angelegten Kunstplan.
Haben und Brauchen treten ein:
  • Für die objektive Ermittlung der Notstände auf der existentiellen Produktionsebene, d.h. den Arbeits- und Lebensbedingungen der Freien Szene Berlins.
  • Für die Planung nachhaltiger struktureller Maßnahmen zur Behebung dieser Notlage.
  • Für einen längerfristigen überparteilichen Dialog zu diesem Zweck zwischen dem Senat und der freien Kunst und Kultur Szene Berlins im Rahmen eines institutionell verankerten Forums.
Diesen Dialog sind wir zu führen bereit. Download as pdf: HuBpresseerklärung_13-11-2012
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Ein Gedanke zu „HABEN UND BRAUCHEN Presseerklärung vom 13.11.2012 zur „K2 – Eine Dialogveranstaltung der Kulturverwaltung des Berliner Senats“ am 15./ 16.November 2012

  1. Ich kann Euere Initiative nur nachhaltig gutheissen und vollständig unterstützen!

    Auch in Frankfurt/Main stellen sich die Zusammenhänge ähnlich dar. Die Stadt Frankfurt ist nicht bereit, ihre KünstlerInnen auf angemessene Weise zu unterstützen und auch zu bezahlen.

    Es ist daher für uns hier in Frankfurt außerordentlich hilfreich und ermutigend Euerer Initiative zu folgen.

    Macht weiter so!

    Grüße
    Stefan

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